Ich bin Mandy und habe seit April 2011 Diabetes Typ 1. Trotz Diabetes Typ 1 kann ich in meinen Augen ein ganz normales Leben führen – wie jeder andere auch. Ich muss natürlich auf gewisse Dinge achten und muss vielleicht auch einiges genauer bzw. gründlicher planen als Menschen ohne Diabetes. Wichtig ist vor allem, die Erkrankung zu akzeptieren und zu verstehen. So hat man die Chance gut eingestellt zu sein und ein nahezu uneingeschränktes Leben zu führen!
Diabetes mellitus, oder umgangssprachlich auch Zuckerkrankheit genannt, ist eine chronische Stoffwechselerkrankung. Bei dieser ist auf Grund einer Störung des Zuckerstoffwechsels der Blutzuckerspiegel dauerhaft erhöht. Diabetes ist eine der weltweit am weitesten verbreiteten Krankheiten.
Meine Diagnose:
Ich erinnere mich noch heute daran, als wäre die Diagnose erst gestern gewesen. Der Verlauf bis zur Diagnose war bei mir jedoch sehr ungewöhnlich. Ich bin nicht umgekippt, hatte keine gesundheitlichen Einschränkungen oder Veränderungen und bin auch nicht im Krankenhaus aufgewacht. Nein, der Anfang kam ganz zufällig und unerwartet – bei einer Urinprobe beim Hausarzt. Meine Zuckerwerte waren erstaunlicherweise viel zu hoch. Ab dann ging es los mit dem Ärzte-Marathon…
Bereits einen Tag später hatte ich ein Termin beim Diabetologen zum Blutzucker-Belastungstest. Anschließend erschien ich zum Gespräch beim Arzt. Irgendwas im Unterbewusstsein hat dazu geführt, dass ich (mit 21 Jahren) meine Mutter mit zum Arzt nahm. Dies stellte sich rückblickend als gute Unterstützung heraus. Die Ärztin erklärte mir meine Blut- und Zuckerwerte und dann kam der Schock für mich:
„Sie haben Diabetes Typ 1.“ Meine erste Reaktion: „Das kann doch gar nicht sein, ich merke doch gar nichts!“
Nachdem Sie mir dann erklärte, dass es bestimmte Antikörper im Blut gibt, die bei mir schwarz-auf-weiß nachgewiesen wurden, war mir klar, dass diese Diagnose feststeht. Ich konnte in dem Moment nichts mehr sagen. Die nächsten fünf Minuten liefen bei mir wie ein Film ab. Ich erinnerte mich in dem Moment an meine Pubertät zurück, in der ich mit meiner besten Freundin gefühlt 20 mal den Film „Panic Room“ geschaut hatte. In diesem Film hat ein Mädchen auch Diabetes Typ 1. Während wir diesen Film damals schauten, dachte ich mir immer „das arme Mädchen“ und „ich würde mich niemals spritzen können“. Nun, 15 Jahre später, traf es mich. Mein erster Gedanke war also natürlich:
„Das kann ich nicht! Ich kann mich nicht selber spritzen. Außerdem möchte ich das auch gar nicht.“
Da wurde mir aber schnell klar gemacht, dass es keine andere Option gibt! Entweder ich lass mir jetzt alles von der „Diabetesspezialistin“ zeigen oder ich muss ins Krankenhaus und dort einstellen lassen. Ins Krankenhaus? Das ging doch nicht – „Ich muss doch gleich los zur Uni.“, war mein erster Gedanke. Mir war einfach die ganze Tragweite und die Auswirkung der Diagnose zu diesem Zeitpunkt noch nicht bewusst gewesen. Ich entschied mich mir erstmal alles zeigen zu lassen. Also ließ ich mich darauf ein und nahm im Warteraum Platz. Da saß ich nun und konnte zum ersten Mal kurz durchatmen. Schlagartig konnte ich dann auch erstmal nix anderes machen, als zu weinen. Bestimmt zehn Minuten saß ich einfach nur da, konnte nix sagen, sondern weinte nur.
In den folgenden Wochen hatte ich viele Arzt-Termine, unzählige Fragen und Gespräche mit meiner Diabetesspezialistin geführt und an einigen Schulungen teilgenommen. Das „in den Finger pieksen“ und messen hab ich nach anfänglichen Überwindungen immer besser hinbekommen. Man glaubt gar nicht, was man alles kann, wenn man erstmal in der Situation ist! Ich muss aber auch sagen, dass ich das Glück habe eine Diabetesspeziallisten zu haben, die mir von Anfang an ein wenig die Angst genommen hat und mich bei allem unterstützt. Sie meinte mal : “Du hast jetzt Diabetes Typ 1. Du hast dadurch automatisch einen gewissen Lebenseinschnitte. Der Diabete soll aber nicht dein Leben bestimmen und umkrempeln, sondern du bestimmst dein Leben mit dem Diabetes.“ Und ich muss sagen bis heute hat sie recht:
„Wenn man möchte kann man alles wie davor auch machen, man muss nur den Diabetes beachten!“
Meine Therapie:
Am Anfang meiner Diabetes-Therapie stand für mich zur Wahl, ob ich mich für eine intensivierte konventionelle Insulintherapie (ICT) mit Insulinpens entscheiden würde oder eine Insulinpumpentherapie. Gestartet bin ich mit der ICT und nach ca. 5 Jahren doch auf die Insulinpumpentherapie gewechselt. Nachfolgend werde ich euch von meinen Erfahrungen beider Therapieformen erzählen. Ich werde auch über meine Beweggründe für und gegen die eine Therapieform berichten. Wichtig ist, dass dies MEINE individuellen Erfahrungen sind und dies keine Beurteilung darstellen soll, welche Therapieform besser oder schlechter geeignet ist. Denn ein besser oder schlechter gibt es an dieser Stelle nicht – sondern jeder sollte die für sich bestmögliche Therapieform finden, die seinen Bedürfnissen und Lebensweisen entspricht.
Nach meiner Diagnose war für mich das wichtigste Kriterium erstmal so wenig Veränderungen wie nur möglich zu haben. Sowohl in der alltäglichen Lebensweise als auch physisch wollte ich nicht, dass man mir auch noch meine Diabetes ansieht. Also kam für mich zunächst auf keinen Fall eine Pumpentherapie in Frage. Es störte mich zusätzlich der Gedanke, dass ich dauerhaft etwas an meinem Körper habe. Ich wollte frei und flexibel sein. Also begann ich mit einer intensivierten konventionellen Insulintherapie (ICT).
Intensivierte konventionelle Insulintherapie (ICT):
Bei dieser Therapieform werden zwei verschiedene Insuline genutzt, die mit einem Pen in den Bauch / Beine gespritzt werden. Morgens und abends wird ein Insulin, welches eine verzögerte Wirkung hat (Basis / Basal) gespritzt, um einen dauerhaften Grundbedarf an Insulin zu decken. Zu jeder Mahlzeiten wird dann zusätzlich ein schnell und kurz wirkendes Insulin (Bolus) gespritzt. Die Menge dieses Insulins ist abhängig vom aktuellen Blutzuckerwert und den in den Mahlzeiten enthaltenen Kohlenhydraten.
In den ersten Schulungsterminen wurde mir gleich gesagt, dass die meisten Personen schnell ihre Meinung ändern und doch auf eine Pumpentherapie umstellen. Das konnte ich mir damals natürlich gar nicht vorstellen. Aber es kam wie es kommen sollte – 5 Jahre später wusste ich zwar immer noch die Vorteile einer ICT zu genießen (gerade die physische Freiheit), aber ich hatte für mich auch einige Nachteile ausgemacht.
Meine persönlichen Nachteile / Probleme mit der ICT:
- Spritz-Hemmnisse: Obwohl ich ja schon viele Jahre täglich gespritzt habe, hat es mich doch immer öfter gestört, da es einfach manchmal weh tut, man eine Ader trifft oder es blutet. Wer jagt sich da freiwillig eine Spritze in den Bauch / in das Bein. Das ging so weit, dass man einfach kleine Spritz-Hemmnisse hatte und es doch physisch eine Belastung war.
- Hautirritationen: Das viele Spritzen am Tag (mind. 1x Morgens und 1xAbends + mind. 3x am Tag zu den Mahlzeiten) entspricht mind. 5x am Tag = 35 / Woche = 245x/Monat usw. und hat doch öfter mal zu kleinen Hautirritationen und der Veränderung der Hautstruktur bei mir geführt.
- Nachlässigkeit: Ich habe gemerkt, dass ich doch manchmal etwas nachlässiger wurde. Damit meine ich nicht, dass ich meine Erkrankung nicht ernst nehme. Aber mal ehrlich, wenn ich mir gerade mal 1 Einheit spritzen müsste, weil ich ein Stück Obst esse oder als Korrektur – überlegt man ja doch, ob man sich dafür wieder eine Spritze in den Bauch jagt.
- Blutwerte: Ich war zwar okay eingestellt von den Blutwerten her, aber ich habe gemerkt, dass so auch keine Verbesserung für mich möglich war.
Daher habe ich die verschiedensten Pumpenarten (mit / ohne Schlauch) getestet und habe mich für eine Pumpentherapie entschieden. Am Ende habe ich mich für die Accu Check Insight entschieden. Eine Insulinpumpe mit Schlauch. Ich hatte am Anfang meine Bedenken bzgl. des Schlauches. Aber nach einer Testphase habe ich schnell gemerkt, dass meine Bedenken für mich unbegründet waren und für mich die Vorteile überwogen haben.
Insulinpumpentherapie:
Die Insulinpumpe ist mit einem Schlauch (Katheter) und einer Kanüle unter der Haut dauerhaft verbunden. Damit wird eine fortlaufende und dauerhafte Abgabe des Insulins ermöglicht. Die Pumpe wird dauerhaft (Tag und Nacht) am Körper getragen, kann aber auch kurzzeitig abgestöpselt werden. Das in kleinen Mengen dauerhaft abgegebene Insulin deckt den Grundbedarf des Körpers. Zusätzlich hat man die Möglichkeit weiteres Insulin für den zusätzlichen Bedarf fürs Essen oder Korrekturen auf Grund von zu hohen Blutzuckerwerten abzugeben.
Anders als aber oftmals vermutet wird nur der Grundbedarf automatisch gespritzt, mein Insulin welches für das Essen oder Korrekturen benötigt wird, muss manuell eingestellt werden. Ist auf dem zweiten Blick aber auch logisch, woher sollte die Pumpe ansonsten wissen, was, wieviel und wann ich esse. Auch das messen der Blutwerte kann die Insulinpumpe nicht übernehmen. Stellt sich die Frage, welche Vorteile sich aus einer Insulinpumpentherapie ergeben?
- Einfaches Spritzen: Da der Katheter bei der Pumpentherapie mit Hilfe einer Stechhilfe gesetzt wird, wird das spritzen vereinfacht. Zudem entstehen durch die präzisere Stechtechnik weniger Blutergüsse und der psychische Druck hat bei mir enorm nachgelassen.
- Weniger Spritzen: Das Infusions-Set (Schlauch / Katheder mit Kanüle) muss meist nur alle 2-3 Tage gewechselt werden. Dadurch muss ich nur noch 2-3x die Woche mir eine Nadel in die Haut pieksen. Das macht alleine pro Monat eine Ersparnis von über 240x spritzen aus!
- Diskretes Spritzen möglich: Da ich bei einer Insulinpumpe nicht jedes Mal spritzen muss, wenn ich Insulin abgeben möchte, sondern dies einfach per Knopfdruck direkt an der Pumpe oder über eine Fernbedienung tun kann, ist dies unauffälliger. Insbesondere im beruflichen Alltag war dies eine große Erleichterung für mich.
- Weniger Hauptprobleme: Durch weniger Einstiche der Nadeln, habe ich auch weniger Hautveränderungen bei mir festgestellt. Ich muss aber auch sagen, dass es vereinzelt auf Grund der längeren Tragedauern zu Juckreiz und kleinen Hautirritationen kommen kann.
- Bessere Blutzuckerwerte: Der größte Vorteil ist, dass eine Abgabe des Insulins für mich präziser und einfacher erfolgen kann. Ebenso gibt es Möglichkeiten mit den verschiedensten Modi (Bolusabgabe, verzögerter Bolus, Multiwave-Bolus) die Abgabe des Insulins besser auf meine Bedürfnisse einstellen zu können. Dadurch konnte ich schon nach kurzer Zeit bessere Blutzuckerwerte erzielen. Zusätzlich sind auch kleinste Insulinabgabemengen ohne Probleme möglich, da auf Grund des vorhandenen Katheters kein zusätzliches Spritzen notwendig ist.
Aber natürlich gibt es auch bei der Pumpentherapie Nachteile (die für mich allerdings nicht ausschlaggebend waren).
- Dauerhaft am Körper: Natürlich gibt es Situationen in denen die Pumpe mal als lästig oder störend empfunden wird, da sie dauerhaft am Körper getragen wird. Allerdings ist das bei mir in so seltenen Fällen der Fall und zudem besteht die Möglichkeit sie schon mal kurzfristig abzumachen.
- Entzündungen: Natürlich kann es auch bei dem einen oder anderen, wenn die Kanüle drei Tage lang an der gleichen Stelle am Körper ist, auch zu kleinen Entzündungen kommen. Außer, dass es mich mal gereizt oder gejuckt hatte, hatte ich damit bisher zum Glück noch keine Probleme.
- Ggf. werden Störungen beim Spritzen mit der Pumpe erst später gemerkt. D.h. man merkt vielleicht nicht, wenn kein Grundbedarf-Insulin gespritzt wird. Beim manuellen spritzen würde man dies sofort merken. Es besteht in gewisser Weise die Gefahr einer nicht bemerkten Überzuckerung. Daher ist das regelmäßige kontrollieren des Blutzuckers auch mit Insulinpumpe unerlässlich.
Auch heute benutze ich noch meine Insulinpumpe und bin sehr glücklich mit dieser Therapieform.
Was man aber nicht vergessen darf, egal für welche Therapieform man sich entscheidet, das Messen des Blutzuckers muss dennoch immer individuell erfolgen. Ich habe dafür ein separates Messgerät.
Blutzuckermessung
Um den Blutzucker so optimal wie möglich einstellen zu können, muss der aktuelle Blutzuckerspiegel ermittelt werden. Dafür gibt es verschiedenste Techniken die verwendet werden können.
Konventionelles Blutzuckermesssystem
Bei einem herkömmlichen Blutzuckermessgerät wird ein Messstreifen in das Gerät gesteckt und mittels eines Bluttropfens der Blutzuckerwert gemessen. Dies geschieht alles manuell.
Kontinuierliches Blutzuckermesssystem (CGM)
Kontinuierliche Blutzuckermesssysteme haben den Vorteil, dass diese dauerhaft den Blutzucker messen. Hierbei wird ein Sensor mit einer kleinen Kanüle auf die Haut gesetzt, der dauerhaft den Blutzucker im Gewebe misst. Dadurch erhält man sowohl Werte in Echtzeit, als auch Trendpfeile in welche Richtung sich der aktuelle Realwert gerade bewegt.
Vorteile der kontinuierlichen Blutzuckermesssysteme:
- Kein Piksen in den Finger mehr. Spart im Schnitt 240 mal im Monat.
- Trendpfeile helfen bei der weiteren Entscheidung
- Ggf. automatische Alarme für zu geringe/hohe Werte
Bei den kontinuierlichen Blutzuckermesssystemen gibt es diverse Anbieter und die verschiedensten Produkte mit unterschiedlichen technischen Funktionen. Ich habe bereits das Freestyle Libre 1, als auch das Dexcom G6 genutzt.
Meine Erfahrung zu den unterschiedlichen CGM-Systemen findet ihr demnächst in einem neuen Beitrag.